Debatte,
Kontroverse,
städtische Öffentlichkeit​

Die Frankfurter Römerberggespräche

Sie sind eine feste Institution der Debattenkultur in Deutschland. Die Römerberggespräche in Frankfurt am Main bestehen seit 1973 in ununterbrochener Folge. Ihrer Organisation, ihrer Tradition und ihrer Ausstrahlung wegen sind sie mit kaum einer anderen Gesprächsreihe in Deutschland vergleichbar. Es handelt sich um Expertengespräche für eine interessierte städtische Öffentlichkeit: Wissenschaftler, Essayisten und Künstler erörtern in Vorträgen, Dialogen und Diskussionsrunden die politischen, kulturellen und intellektuellen Themen der Gesellschaft. Sie präsentieren wichtige Forschungsergebnisse und geben Ausblicke in künftige Prozesse.

Alf Mentzer (Moderator) mit Ralf Bönt und Wolfgang Bonß
Alf Mentzer (Moderator) mit Ralf Bönt und Wolfgang Bonß

Diese Veranstaltungsreihe, die sich in diversen Formen, von halbtägigen „Interventionen“ bis zu zweitägigen Kongressen, darstellt, wird fast noch in der gleichen Formation wie vor beinahe 40 Jahren organisiert: eine Gruppe von Persönlichkeiten aus der Stadt arbeitet ehrenamtlich für dieses Meinungsforum und stellt die Programme zusammen. Seit dem Frühjahr 2006 ist dieses informelle Kuratorium im Status eines Vereins organisiert. Die Römerberggespräche werden finanziell von der Stadt Frankfurt am Main und dem Land Hessen getragen.

Hadja Haruna Oelker (Moderatorin) mit Manuela Bojadzijev und Patrice G. Poutrus
Hadja Haruna Oelker (Moderatorin) mit Manuela Bojadzijev und Patrice G. Poutrus

Die Römerberggespräche wurden 1973 von Prof. H.W. Wirth in Verbindung mit dem damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann gegründet. Sie waren immer auch das Instrument und der Ausdruck der öffentlichen Debattenkultur. Zu Beginn wurden sie von der späten studentischen Protestbewegung geprägt, dann wandten sie sich mit der Suche nach den Freiheiten von Kunst, Literatur und Kino ausdrücklich der Kulturpolitik zu. Die großen Fragen nach einem utopischen Humanismus, nach dem Doppelgesicht des Fortschrittdenkens und der Zukunft einer Republik ohne Bürger, nach den diskriminierten Minderheiten, der Kulturzerstörung und nach der Sprache der Macht verstanden sich als Beiträge zur Selbsterkundung der Bundesrepublik in den achtziger Jahren. 1986 brach bei den Römerberggesprächen mit einer Kontroverse über den Zustand der politischen Kultur der Historikerstreit aus. Auf dem gleichen Kongress formulierte der Schriftsteller Jorge Semprún seine damals kühne These, dass politische Entspannung in Europa ohne die deutsche Wiedervereinigung nicht denkbar sei. 1987 gab die Tagung über „Jugendwahn und Altersangst“ der Generationendiskussion die bis heute prägenden Stichworte. Insgesamt fünfmal wurden Kongresse zur Europadebatte veranstaltet. Seit 1988 wurden politische Repräsentanten und Exponenten des geistigen Europa eingeladen, um das Selbstverständnis und die intellektuelle Situation zu sondieren. Bildung und Bürgergesellschaft, der Umbau der Städte und die Geltung der Menschenrechte bilden einen Katalog der akuten Probleme, die mit Verve und dem Mut zur Kontroverse besprochen wurden. Zwei Monate nach den Anschlägen in New York und Washington wurde der erste deutsche Kongress über den Terrorismus und den Extremismus der Gefühle veranstaltet. Im Frühjahr 2011 folgte nach Fukushima eine Intervention „Der Optimismus der Ingenieure – Wie viel Risiko ist verantwortbar?“.

Gisela Notz, Christina von Hodenberg und Insa Wilke (Moderatorin)
Gisela Notz, Christina von Hodenberg und Insa Wilke (Moderatorin)

Die Römerberggespräche dienen dem Ziel, unsere Zivilgesellschaft und ihre Diskussionsbereitschaft zu stärken. Sie sind parteipolitisch nicht gebunden und verstehen sich als unabhängiges Forum ohne Auftraggeber. Sie wurden viele Jahre im Römer, im Frankfurter Stadtparlament, veranstaltet, dann einige Jahre in der Frankfurter Paulskirche und sind nun willkommener Gast im Schauspiel Frankfurt.